Ich sitze im Gießener Stadttheater und bin sehr gespannt auf das Stück.
Einige meiner Bekannten haben es mir wärmstens empfohlen und so beginnt für mich eine Zeitreise in die Vergangenheit der Hufnagels und Schatzschneiders aus Eisenstein im bayrischen Wald.
Erna Schatzschneider, auf der Flucht vor den Russen wird schwanger und kommt bei Ihrem Onkel auf dem Gut der Hufnagels als Magd unter. Sie beginnt eine Liaison mit dem Gutsbesitzer Josef. Erna schiebt ihm aus der Not heraus ihr Kind unter. Erst als sich Hufnagels leibliche Tochter in Ernas Sohn verliebt und selbst schwanger wird beginnt die Notlüge ihre dramatische Eigendynamik zu entwickeln. Sie beeinflußt das Leben der nachfolgenden Generationen auf eine schicksalhafte Weise.
Ich erlebe auf meinem Theatersitz als Nichtzeitzeugin die Tragik und gleichzeitig das Wirtschaftswunder der Nachkriegszeit und bin erschüttert über die Konsequenzen der damaligen Lüge. Es erbost mich, dass Erna bewusst an der falschen Geschichte festhält, obwohl das Glück ihres Sohnes davon abhängt.
In den über drei Stunden schlüpfen die Schauspieler in Rollen unterschiedlichsten Alters ohne für den Zuschauer merklich die Bühne zu verlassen. Auch das puristisch gehaltene Bühnenbild verändert sich im Laufe der Handlung nur durch wenige Elemente, jedoch wie durch Zauberhand.
Für mich stellt sich einmal mehr die Frage:" Ist nichts sagen - auch Lüge?"
Das Gießener Stadttheater spielt es im Großen Haus in dieser Spielzeit noch am 24./31.05. und am 09.06. jeweils um 19:30 Uhr. Eine großartige Inszenierung, die ihre Zuschauer in das Stück einsaugt und tief berührt zurück lässt.
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